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Hängematte
Videoinstallation und Happening
Benita Joswig
21. August - 30. August 1999
Lutherkirchplatz, Lutherkirchturm, Kassel
Kompositionen: Anja Kreysing und Rachel Seifert
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Hängematte
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Videoinstallation und Happening
Die Zeit - die Uhrzeit - unterliegt einer fiktiven Einteilung.
Tag und Nacht werden in Sekunde, Minute und Stunde gefaßt. Sie schlägt und läutet, haftet am Puls oder hängt an den Türmen in den Städten.
Die Uhrzeit ist zahm und dient - gesetzt den Fall - sie bleibt nicht stehen.
Ihr Takt verspricht eintönig und verfolgt sich selbst. Die Fiktionen sind unbändig und nicht im Takt. Die Herzen klopfen. Der Atem strömt und fließt, verstockt und schwitzt.
Hängematte - die eigene Schwere bewegt.
Der Lutherkirchplatz ist davon geprägt, daß Menschen diesen Platz überqueren oder sich auf diesem Platz aufhalten. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit, gehen in der Stadt einkaufen, haben Verabredungen, sie müssen sich beeilen oder schlendern über diesen Platz, sie setzen sich auf die Bänke des Platzes, halten ein Schwätzchen, gucken in die Sonne, schauen sich den Turm an, der wie eine seltsam spitze Gebirgssteilwand dem Platz Namen und Charakter gibt.
Der Platz ist ein offener Ort und jede und jeder hat Zutritt.
Der Turin ist übriggeblieben, nachdem das Schiff der Kirche kriegerisch zerstört wurde.
Sitzt man länger auf diesem Platz, kann dieses Bauwerk als Ganzes erscheinen - für Augenblicke, durch die Bäume hindurch - schattenhaft.
In der Turmspitze nisten im Frühjahr Falken, auf mittlerer Höhe thront das alte Uhrwerk für die Glockenschläge. Verstaubt und eingerostet hat es an Bedeutung verloren. Der Krieg stoppte das Werk, die Glocken wurden durch den Turm abgeseilt, ein Loch wurde in der Eingangshalle des Turmes geschlagen und die klingende Zeit wurde in Sicherheit vor den Bomben gebracht.
Das Loch ist geblieben, die Glocken werden automatisch betrieben, der Weg ins einstige Kirchenschiff ist vermauert worden.
Senkrecht wie ein Pfeil sticht dieser Turm in den Himmel und überragt die Stadt. Dieser Ort ist ein Ort der Zeit, der geschundenen, der zerstörten, der warmen und kalten Nächte; ein Ott des Wechsels und der Bewegung und des Anhaltens.
Kunst ermöglicht einen freien Fall, der ungefährlich ist, oben und unten verkehrt und die Zeit schaukeln läßt.
In das Loch projizieren wir Menschen, die in einer Hängematte liegen, baumeln und schaukeln, schlafen oder wachen. Der Blick wird ein verkehrter und die Zeit hat sich verselbstständigt: der Blick nach oben ist eigentlich ein Blick nach unten in die Hängematte, deren Rhythmus ein Eigenleben führt.
Anja Kreysing und Rachel Seifert entwickelten eine Gesangs- und Klangperformance, die in direktem Zusammenhang zur Hängematte im Lutherkirchturm steht.
Benita Joswig
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